Wie kann man sich Ihre Arbeit im Bundestag in Berlin vorstellen?
Miersch: Diese Frage ist schwierig, in wenigen Sätzen zu beantworten. Man hat 2 Leben: Einmal ist man 23 Wochen als Bundestagsabgeordneter in Berlin. Die restliche Zeit ist man in seinem Wahlkreis. In Berlin hat man einen festen Tagesplan, der
von morgens bis abends durchgeplant ist. Montag und Dienstag hat man meist partei- und
fraktionsinterne Treffen, am Mittwoch ist der Ausschusstag, wo ich als Umweltsprecher mit
den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen über Umweltthemen berate.
Donnerstag und Freitag sind dann die Plenartage, an denen der gesamte Bundestag
teilnimmt und über jedes Gesetz, jede Änderung im Plenum berät. In der Wahlkreiswoche
sind viele Firmen- und Schulbesuche auf dem Plan. Außerdem lese ich während einer
Wahlkreiswoche auch viele Texte und Gesetze.
Welche Interessen können Sie vertreten? Gibt es manchmal welche, die nicht
vertretbar sind?
Es gibt die vielfältigsten Wünsche von den Bürgern im Wahlkreis. Diese sind teilweise sehr
unterschiedlich, da muss man oft schauen, wozu man selber steht und für was man
gewählt worden ist. Meistens gibt es Grundsätze, die die Partei selber hat, es gibt
allerdings auch ganz unterschiedliche Vorstellungen, beispielsweise die Umgehungsstraße
in Hemmingen. Da gibt es eine Initiative, die dafür ist und eine, die dagegen ist. Leider
kann man es dort nicht allen recht machen. Deshalb muss man dann eine Entscheidung
treffen und der anderen Seite sagen, warum man deren Interessen nicht vertreten kann.
Dieses ist in ganz vielen politischen Fällen so. Bei Gewissensfragen entscheide ich allein.
Bleiben Sie Ihren Grundsätzen immer treu oder gibt es Fälle, die sehr stark an der
Letztlich müssen das andere beurteilen, weil man sich nicht immer hundertprozentig selbst
frei beurteilen kann. Ich persönlich würde aber sagen, dass ich in meiner politischen
Laufbahn immer versucht habe, meinen Grundsätzen treu zu bleiben. Natürlich ist das
Suchen von Lösungen, die der Breite gefallen, meistens ein Kompromiss. Selten wird ein
Vorschlag so umgesetzt, wie man es selbst für richtig hält. Man muss immer nach
mehreren Lösungen suchen und sich mit dem Koalitionspartner beraten. Ich persönlich
würde sagen, dass ich noch nie gegen mein Gewissen entschieden habe.
Wie wirken viele prominente Politiker auf Sie? Spürt man manchmal Arroganz oder
Man muss sehr sensibel damit umgehen, wie man selbst nach außen wirkt. Es kann sein,
dass das Berliner Raumschiff, wie es manchmal genannt wird einen abgehoben macht.
Deswegen ist mir die Erdung sehr wichtig und ich hoffe, dass ich immer einen
Bekanntenkreis haben werde, der mir hilft, dass ich die Bodenhaftung nicht verliere.
Es gibt allerdings einige Politiker, die mir sehr fremd sind und die fast nichts außer Politik
machen. Diese wirken möglicherweise durch ihr eigenes Verhalten sehr abgehoben und
arrogant. Wie immer, gibt es aber überall solche und solche. Es gibt durchaus prominente
Politiker, die sehr menschlich wirken.
Gibt es im Bundestag Interessenskollisionen?
Es ist sehr schwer, im Aufsichtsrat einer großen Firma zu sitzen und dann auch noch
Politiker zu sein, da man dann nicht mehr frei entschieden kann. Allerdings bringt jeder
Abgeordnete seine eigene Geschichte mit. So habe ich als Anwalt mehrere Jahre gegen
Saatgutfirmen gekämpft und lege dieses nicht ab. Jeder nimmt also seine Erfahrungen mit
ins Parlament und deshalb bin auch ich keine neutrale Person mehr. Politik gerät durch
einige Negativbeispiele in Generalverdacht, weil der Eindruck entsteht, dass sie
fremdbestimmt sind und sie nicht mehr im Sinne der Bevölkerung wirken.
Werden diese Politiker darauf aufmerksam gemacht oder werden diese Probleme
Die Leute, die ich kritisch betrachte, spreche ich nicht darauf an, weil ich gar nicht so einen
guten Draht zu denen habe. Im Bundestag gibt es, wie in der Schule, auch Gruppen mit
Leuten, die man sympathischer findet und Politiker, die man nicht so gerne mag.
Aber sie verraten uns niemanden, oder?
Das kann und möchte ich auch nicht.
Welche persönlichen Ziele haben Sie sich gesetzt?
Ich möchte nach meiner politischen Karriere sagen können, dass ich im Sinne meiner
eigenen Grundsätze viel erreicht habe. Es ist motivierend, dass die SPD wieder mit in der
Regierung ist und zum Beispiel eine Endlagerkommission eingerichtet wurde, für die ich
jahrelang gekämpft habe. Das sind Momente, in denen man sagen, jetzt habe ich etwas
Tolles erreicht. Ich kann jetzt in jeder Sitzung sehen, ob sich meine Vorstellungen an
dieser Kommission verwirklichen. Ob sie Erfolg haben wird, ist aber offen. Ich würde mir
wünschen, dass zu den Themen Energie, Klima etc. während meiner politischen Zeit
nachhaltige Beschlüsse gefasst werden. Was meine Person angeht, bin ich im Moment mit
meiner bisherigen Laufbahn sehr zufrieden. Eine politische Karriere kann man nicht genau
Spargel: Vielen Dank für das Interview!